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Der Mops in der Apotheke: Exlibris und Medaillen aus der Sammlung Wissing

In den Jahren 2008 bis 2018 wurde der Bestand des Deutschen Apotheken-Museums durch eine großzügige Schenkung von Apotheker Wolfgang Wissing (Hückelhoven) bereichert: Dazu zählen 136 druckgrafische Blätter und 23 Medaillen bedeutender zeitgenössischer Künstler/-innen.

Die druckgrafische Sammlung

Wolfgang Wissing, bis 2015 Homöopath und Apotheker, sammelt seit dem Jahr 2003 Druckgrafik. Hauptsächlich handelt es sich um Exlibris, die der Förderer bei Künstler/-innen aus dem Kreis Leipzig in Auftrag gibt. Traditionelle Drucktechniken wie Radierung und Holzschnitt werden in der dort ansässigen Hochschule für Grafik und Buchkunst und der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle gelehrt.

Das Exlibris als Sammelobjekt

Seit Beginn des 19. Jahrhunderts dient das Exlibris nicht mehr ausschließlich als Bucheignerzeichen, sondern wird zunehmend auch zu einem Sammelobjekt. Die faszinierenden kleinen Kunstwerke vermögen es, auf besondere Weise die persönlichen Interessen des Auftraggebers zu transportieren. Innerhalb der Grafik wird die Verbindung zum Eigner durch die Nennung des Namens bewahrt. Zudem ist das Exlibris durch seine hohe Druckauflage (meist 50 bis 100 Blätter) als Sammlungsobjekt vergleichsweise erschwinglich und ermöglicht einen Austausch mit gleichgesinnten Sammlern.

Die stetig wachsende Sammlung Wissings teilt sich in mehrere Themengebiete. Zunächst widmet sie sich den von Wissing besonders geschätzten Schriftstellern und ihren Werken. In diesem Kontext entstanden mehrere Blätter zu dem neorealistischen Werk Gespräche in Sizilien von Elio Vittorini. Auf einem der jüngsten Exlibris dieser Reihe hat Eva Aulmann den Sammler mit Mops Darwin, seinem wichtigsten Attribut, dargestellt.

Zahlreiche kunsthistorische Zitate lassen sich innerhalb der Grafiken entdecken, wie bei der meisterhaften Adaption von Ingres Gemälde Das türkische Bad durch den Künstler Tim von Veh (Inv.-Nr. VII B 2151.10) oder den zeitgenössischen Darstellungen der Apokalyptischen Reiter, einer durch Albrecht Dürers Holzschnittserie aus dem 15. Jahrhundert bekannten biblischen Ikonographie (u.a. Inv.-Nr. VII B 2154).

Der Apothekerberuf im Exlibris
Von besonderem Interesse sind die Berufsexlibris, die von Wissings Profession als Apotheker berichten. Bis 2015 betrieb er zusammen mit seiner Ehefrau Evelyn Wissing in Ratheim die Glückauf-Apotheke. Diese wird auf dem Exlibris Homo hominis lupus von Ina Zimmermann in emblematischer Verbindung mit dem Vornamen des Sammlers von einem Wolfsschädel überlagert, dessen geöffneter Kieferknochen den Eingang in das Häuschen bildet. Der Schädel wird von dem Gewächs Aconitum umwuchert, aus dem früher Giftköder gegen Wölfe hergestellt wurden. In einem Schriftbanner auf der rechten Seite der Darstellung erscheint die bekannte Sentenz des römischen Komödiendichters Titus Maccius Plautus: Lupus est homo homini, non homo, quom qualis sit, non novit (Ein Wolf ist der Mensch dem Menschen, kein Mensch, wenn man sich nicht kennt).

Einen Blick in den nicht immer einfachen Berufsalltag des Apothekers erlaubt das Exlibris des Künstlers Karl-Georg Hirsch, der bis 2003 in Leipzig an der HGB Druckgrafik lehrte und einige der in Wissings Sammlung vertretenen Künstler/-innen ausbildete (u.a. Bettina Haller und Irina Rössler). In seinem Exlibris Apotheker mit knötternder Kundin zeigt er auf humoristische Weise eine Szene zwischen Apotheker und Kundin, die sich an der Offizin gegenüberstehen und über ein Rezept diskutieren.

Der Lutze-Taler finanziert die Homöopathie
Neben den persönlichen Erfahrungen als Pharmazeut lässt Wissing auch medizinhistorische Themen in die filigranen Bildwerke transportieren. Besonders spannend ist die Darstellung der Grafikerin Claudia Berg, die sie einem Schüler Hahnemanns widmet. Als Homöopath und vermeintlicher Wunderheiler weit bekannte Dr. Arthur Lutze (1830 bis 1870) plante im Jahr 1854 den Bau der damals weltweit größten homöopathischen Klinik in seiner Heimatstadt Köthen. Zur Finanzierung seines Vorhabens erfand er ein Spendenkonzept. Er ließ 100 000 Lutze-Taler drucken, die für einen Taler erworben und bis 1855 gegen Erstattung ihres Kaufpreises zurückgegeben werden konnten. Bereits ein Jahr nach Druck der Taler konnte so der Bau vollendet werden. Die Klinik des gleichermaßen populären wie umstrittenen Arztes bestand zwar nur bis 1914, der Lutze-Taler gilt allerdings nach wie vor als Sammelobjekt.

Seine Zeit als Apotheker erklärt Wissing als endgültig abgeschlossen. Nach wie vor interessiert ihn jedoch die Ganzheit des Menschen und er beweist bei seinen Bildaufträgen große Kenntnisse in weitgefächerten Themengebieten wie Literatur, Film und Zeitgeschichte. In diesem Kontext stehen auch die Exlibris, die den Ersten Weltkrieg und die Folgen des Holocaust thematisieren. Sie wirken gegen das Vergessen der Verbrechen der nationalsozialistischen Gräueltaten (u.a. VII B 2152.2).

Die Exlibris nehmen die Funktion eines Memento Mori ein oder thematisieren die Überwindung des Todes dank pharmazeutischer Kenntnisse. Auch die Machtlosigkeit des Menschen im Angesicht des Todes wird in den Grafiken deutlich. Besonders treffend bringt dies das Exlibris des polnischen Künstlers Wojziech Nowroclaw Luczek zum Ausdruck. Er zeigt den Turmbau zu Babel innerhalb einer pharma-zeutischen Reibschale. Der biblische Turmbau, der u.a. als Symbol für das Scheitern der Menschheit in ihrem Versuch Gott gleich zu kommen gedeutet wird, steht damit sinnbildlich für die Machtlosigkeit des Pharmazeuten in seinem Kampf gegen den Tod.

Allein Mops Darwin, der im Jahr 2008 zum unverzichtbaren Begleiter der Wissings geworden ist, schafft es in Alice Aeberhards Exlibris dem Tod schützend und furchtlos gegenüberzutreten.

Die Medaillen: Kleine Kunstwerke zur Homöopathie in Metall

Wolfgang Wissings Leidenschaft für Medaillen hatte sich vor seiner Liebe zu den Exlibris entwickelt. Obwohl er sich mittlerweile von dieser Art der „Kleinkunst“ verabschiedet hat, bleibt er als Initiator und Editor eines Medaillenzyklus zu Samuel Hahnemanns 250. Geburtstag im Gedächtnis. Als Künstlerin gewann er Anna Franziska Schwarzbach, die in Berlin tätige Bildhauerin und Medailleurin, deren Werk er mit Interesse verfolgt hatte. Zwischen 2001 und 2004 entstanden Medaillen und Plaketten in verschiedenen Materialien, auf denen sich die Künstlerin mit dem Leben und Werk Hahnemanns (1755 bis 1843) auseinandersetzt. Dabei treten neben den konventionellen Bronzeguss auch die Werkstoffe Glas und vor allem Eisen – nicht zuletzt, da Anna Franziska Schwarzbach sich maßgeblich für ein Wiederaufleben des deutschen Eisenkunstgusses eingesetzt hat. Die hauchdünne Ausfertigung der Formen durch die Künstlerin für das Wachs-
ausschmelzverfahren führte dazu, dass auch Fehlstellen und kleine Abweichungen entstanden – so ist jedes der eisernen Stücke, die in der renommierten Kunstgießerei Lauchhammer gegossen wurden, als Unikat zu betrachten.

Samuel und Melanie – eine amour fou
2001 beschäftigte sich Anna Franziska Schwarzbach mit dem Portrait Hahnemanns in verschiedenen Material-Variationen. Als Vorlage wählte sie ein Portrait, das Mélanie Hahnemann, die zweite Frau des Homöopathen, eine französische Malerin, im Jahr ihrer Heirat 1835 von ihrem Gatten gemalt hatte. Die Heirat des damals 79jährigen mit der 35jährigen Französin – und Katholikin! - verursachte in seiner damaligen Heimat Köthen in Anhalt einen Skandal. Noch im gleichen Jahr zog das ungleiche Paar nach Paris, wo Hahnemann eine Praxis eröffnete, die von Künstlern und Adligen aus ganz Europa besucht wurde.

Zu den 2004 entstandenen Arbeiten zum Hahnemann-Zyklus gehören auch Medaillen auf Mélanie Hahnemann, alleine oder zusammen mit ihrem Gatten. Die Probegüsse für beide Medaillen zeugen von dem künstlerischen Ringen um dieses Thema. Vor allem die Medaillen des Paares sind hier bemerkenswert. Sie zeigen Mélanie wie auf dem 1840 entstandenen Kupferstich mit Biedermeierfrisur und –kostüm. Die Art, wie sie ihren betagten Gatten, der deutlich kleiner dargestellt ist, mit ihren Armen fest umschließt, lässt aber keinen Zweifel daran, wer in dieser Ehe das Sagen hatte. Doch vielleicht ließ sich Hahnemann in seinen letzten Lebensjahren gerne von seiner dominanten Frau beschützen. Die Medaille trägt als Inschrift auch den Grabspruch, der beim Öffnen des Sarges Hahnemanns gefunden wurde - HOC NOSTRO CINERIS CINI OSSIBUS OSSA SEPULCRO MICSCENTUR VIVOS UT SOCIAVIT AMOR (In diesem unserem Grab vermischen sich Asche mit Asche, Gebein mit Gebein, wie die Lebenden die Liebe vereint hat).

Crowdfunding für die Homöopathie

Arthur Lutze, einem Schüler Hahnemanns, fand nicht nur in den Exlibris von Wolfgang Wissing einen Platz mit der Abbildung seines „Lutze-Thalers“, den der Homöopath in einer Form des frühen Crowdfunding zur Finanzierung seines Klinik- Bauprojekts herausgegeben hatte. Anna Franziska Schwarzbach widmete ihm 2003 eine Plakette, deren unregelmäßige Form der als Vorbild verwendeten Thaler-Anweisung, einem eingerissenen Stück Papier, entspricht. Auf der Rückseite ist das Portrait des Homöopathen mit dem markanten Vollbart dargestellt.

Text: Lea Pistorius, Barbara Simon