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Citizen Science auf der Schwäbischen Alb - Der Nachlass der Apothekerfamilie Sautermeister

Der Nachlass zweier Apothekergenerationen der schwäbischen Familie Sautermeister mit Materialien von etwa 1850 bis 1918 ist ein eindrucks-
voller Beleg der Tradition des forschenden Bürgertums im 19. Jahr-
hundert. Heinrich Sautermeister (1812-1874), ab 1842 Besitzer der Apotheke in Kloster Wald (Kreis Sigmaringen), sowie auch sein später in Rottweil wirkender zweitgeborener Sohn Otto Alfred Sautermeister (1845 - 1918) erwarben sich als begeisterte Naturforscher reiches Wissen über Botanik, Entomologie (Insektenkunde), Mikroskopie und Kristallographie und lieferten wertvolle Erkenntnisse über die süddeutsche Flora und Fauna. Ein umfangreiches Konvolut von teils einzigartigen Objekten dokumentiert deren vielfältige pharmazeutische und naturkundliche Tätigkeiten. Der Nachlass wurde von den Nachfahren sorgsam bewahrt und nun als geschlossenes Konvolut dem Deutschen Apotheken-Museum übergeben. Ausgewählte Objekte sind auch in der Ausstellung präsentiert.

Heinrich Sautermeister erstellte über viele Jahre eine umfangreiche Pflanzensammlung (Herbar) mit mehr als 13.000 Spezies sowie eine 1687 Arten umfassende pharmakognostische Sammlung (arzneikundliche Rohstoffsammlung). Diese enthielten neben mehreren tausend selbst gesammelten regionalen und teils sehr seltenen Arten auch zahlreiche nicht-einheimische Pflanzen. Über damals sehr aktive Pflanzentauschvereine stand Sautermeister in Kontakt mit mehr als 200 Sammlern weltweit. Während sich das allgemeine Herbar im Natur-
kundemuseum in Stuttgart befindet, gehört die pharmakognostische Sammlung nun zum Bestand des Deutschen Apotheken-Museums. Gleiches gilt für den 1855 verfassten handschriftlichen „Catalog der Droguen Samlung“. Die um 1850 begonnene und über lange Zeit erweiterte Sammlung zeigt einen Querschnitt der um Mitte des 19. Jh. zur Arzneiherstellung verwendeten Substanzen. Sautermeister bewahrte die 1687 Spezies und Stoffe nach pharmakognostischer Systematik in 65 sorgsam beschrifteten Kartons mit zahlreichen Schächtelchen auf.

Das Botanisieren, Sammeln von Schmetterlingen, Petrefakten und Konchilien (Fossilien, Muscheln, Schnecken), der fachliche Austausch mit Sammlern und Erkenntnisgewinn durch die Mikroskopie spielten für Heinrich Sautermeister ebenso eine wichtige Rolle, wie auch die Beschäftigung mit der Mineralogie und Kristallographie.

Bedeutend sind zwei Sätze von Kristallmodellen aus der Zeit um 1860. Nicht nur persönlich begeisterte sich Heinrich Sautermeister für die Mineralogie und Kristallografie. Auch in der Apotheke des 19. Jh. wurden mikroskopische Kristall-analysen immer wichtiger, etwa bei der Analyse kristallierbarer Substanzen mittels Polarisation (z. B. bei Proteinen, Ascorbinsäure, ätherischen Ölen, Harnanalyse). Für das Verständnis kristalliner Strukturen waren dreidimensionale Kristall-Modelle ein grundlegendes Hilfsmittel. Hersteller für Mineralienbedarf boten Modellsätze aus Gips, Holz oder Glas an; oder – sparsamer und lehrreicher – auf Papier gedruckte Kristallnetze, nach deren Vorlage man aus Pappe selbst Modelle anfertigen konnte. Heinrich Sautermeister erwarb einen kleinen Satz mit 50 Gips-Modellen und fertigte selbst einen zweiten Satz mit 114 Modellen aus Pappe, beide mit handschriftlicher Systematisierung. Die Vorlagen für die Papp-Modelle lieferte wohl das „Heidelberger Mineralien-Comptoir“, dessen Broschüre aus dem Jahr 1860 mit Notizen von Sautermeister einem Kasten beilag. Das 1804 gegründete Unternehmen war zu der Zeit europaweit führend im Handel mit Mineralien und Sammlungszubehör.

Ein Satz mikroskopischer Pflanzenpräparate wurde um 1851-53 vom „Mikroskopischen Institut August Menzel & Comp. Zürich“ (gegründet 1851, später Engell & Comp.) bezogen. Neben Mikroskopen stellten diese auch Serien von mikroskopischen Schauobjekten aus dem Tier- und Pflanzenreich her. Die schmuckvoll gestalteten und mit Nummern bezeichneten Präparate wurden in mitgesandten Broschüren beschrieben.

Aus dem Besitz Heinrich Sautermeisters stammen schließlich auch eine Botanisiertrommel, ein Kasten mit „Entomolog(ischen) Utensilien“ zum Sammeln und Präparieren von Insekten sowie eine Sammlung von Schmetterlingspräparaten, die 70 heute zum Teil streng geschützte bzw. fast verschwundene Arten dokumentiert.

Auch von Heinrich Sautermeisters zweitgeborenem Sohn Otto Alfred Sautermeister (1845 - 1918), der ab 1870 die Obere Apotheke in Rottweil führte, sind bedeutende Zeugnisse seiner Tätigkeit als Apotheker und Naturforscher in den Museumsbestand gekommen.

[Weiter lesen: Otto Sautermeister]

Text und Fotos: Claudia Sachße

Literatur/Quellen:

M. Engelhardt, S. Seybold, Die Sammler von farn- und Blütenpflanzen des Herbariums des Staatlichen Museums für Naturkunde Stuttgart (STU) (2009).

B. Fritscher, Making objects move: On minerals and their dealers in 19th century Germany. In HoST – Journal of History of Science and Technology 5, 2012.

E. Huwer, Deutscher Apothekerkalender 2019 (Juni).

P. Sautermeister, 125 Jahre Familie Sautermeister in Rottweil, Obere Apotheke (1995).

B. Stevenson, Conrad von Rappard, 1805 – 1881, August Menzel and Company, 1850 - 1851 and Engell and Company, 1851 - ca. 1865, distributed by Schäffer and Budenberg.